Montag, 19. April 2004
Kopieren gut, kopieren böse.
letterlabor, 14:16h
In der Ausgabe 8/2004 vom 5. April des renommierten Computermagains C'T wird eine neue Initiative des Magazins vorgestellt, uns dumme arme ehrliche Konsumenten von den Schrecken der Kopierschutzen schützer schutze schutzmaßnahmen bei Audio-CDs zu retten:
unCDcopy heisst ein kleines Programm, mit dem man die böse CD über den Analogeingang der Soundkarte auf den Computer aufnimmt, und sich aus dem Internet (genauer von CD-Register) eine sogenannte "Schnittdatei" herunterlädt, die mehr oder weniger automatisch die 70-Minuten-Soundwurst in die Titel richtiger Länge beschneidet und benennt.
Eigentlich eine gute Idee, aber in einer E-Mail an den Redakteur dieses Artikels, Herrn Sven Hansen, erkläre ich, warum doch nicht:
alle Zahlen in dieser E-Mail sind grobe Schätzungen oder gar frei erfunden, und sollen nur der (teils überspitzten) Verdeutlichung der angesprochenen Sachverhalte dienen.
Lieber Sven Hansen,
Mit großen Interesse las ich Ihren Artikel "Un-CD-Bändiger" in Ausgabe 8/2004 und freue mich über den Zeit- und Energieaufwand, den Sie und andere in dieses Projekt investiert haben.
Meiner Meingung nach wird das "unCDcopy"-Programm uns Käufern von CDs allerdings leider nur mehr Arbeit machen, anstatt unsere Situation zu verbessern:
Zwar richten viele Kopierschutzmechanismen bei mir auf Mac OS X keinen Schaden an (d. h., sie greifen nicht)*, doch ich habe mich dennoch damals, als die Sache mit kopiergeschützten CDs anfing, kategorisch entschieden, hier meine "Machtposition" als Konsument auszuspielen zu versuchen und den Kauf von "UnCDs" zu verweigern, oder, habe ich einmal einen Kopierschutz-Hinweis übersehen, die CD zurück ins Geschäft zu tragen.
Diese Macht wirklich ausspielen und die "Major Labels" zu einer Abkehr von Kopierschutz-Mechanismen bewegen, können wir allerdings nur alle gemeinsam: wenn jede Woch 20.000 Kunden in Deutschland ihre CD beim Elektromarkt umtauschen würden, weil sie beispielsweise nicht im Autoradio, DVD-Player läuft oder sich nicht auf den iPod übertragen lässt -- ich denke, dass große Unternehmen wie die Saturn-Media Holding AG relativ schnell ein ernstes Wörtchen mit Sony Music, BMG, Warner und Universal zu reden hätten.
Auch der komplette Konsumverzicht bei kopierunfähigen CDs wäre, wenn groß angelegt, ein sicherlich erfolgreiches Machtinstrument.
(Wer der Meinung ist, dann wichtigen kulturellen Stimuli zu entsagen, sei beruhigt: zum einen genügt es ja, das Radio -- egal auf welchem Sender, egal um welche Uhrzeit -- einzuschalten, um den ja meist leider auch noch minderwertigen, massenkompatiblen Quark zu hören, auf den die "Major Labels" heutzutage ein Gros ihrer finanziellen Hoffnungen setzen, und ähnliches gilt für das Musikfernsehen. Und wer mit "unCDcopy" umgehen kann, der kann sicherlich auch Radio/TV-Tuner und Computer verbinden und dort "record" drücken.
Zum anderen sollte man es nun lieber als Chance sehen, anstatt der 5% der produzierten Musik, die 95% des Gesamtumsatzes ausmachen, mal einen Einblick zu erhalten in die große weite Welt jenseits der "Big Four", die größer, schöner und vielfältiger ist, als sich der Top40-Junkie gemeinhin träumen lässt.)
Die großen Plattenfirmen haben in der Vergangenheit viele Fehler gemacht, als das "digitale Zeitalter" begann, und versuchen nun, gedeckt durch den Staat und besiegelt in § 95, ihre Scherflein auf Kosten von niemand anderem als ihren eigenen Kunden ins Trockene zu bringen, denn während wir fluchen und heulen, dass wir die neueste Castingshow-Platte nicht auch in <beliebiges Musikwiedergabegerät einfügen> anhören können, interessiert es weder den versierten Raubkopierer, der immer noch über 99,9% aller gängigen Abspielsperren-Mechanismen lacht, noch den gewohnheitsmäßigen Tauschbörsenbenutzer, der die Platte schon Wochen vor dem VÖ-Termin hatte, inklusive Demo-Material, unveröffentlichten und Live-Versionen.
In Ihrem Artikel schreiben Sie, die Plattenlabel seien mit der angeblich oder anscheinend hohen Akzeptanz ihrer kopiergeschützten Plastikscheiben zufrieden.
Aber angeblich oder anscheinend schimpft der Großteil der Konsumenten darüber, wie in Ihrer und allerlei anderen Publikationen immer wieder zu erfahren ist.
Ihr Programm "unCDcopy" umgeht auf legalem Weg die meisten Einschränkungen kopiergeschützter Audio-Datenträger (auch wenn die Klangqualität, wenn man sich den Soundkarten-Test in einer der letzten c't-Ausgaben vor Augen führt, im Endeffekt den einer MP3-Datei sicherlich auch nicht übertreffen wird), aber erhöht gleichzeitig die von den Label anhand der Verkaufszahlen wahrgenommene (und nicht etwa im Dialog mit unzufriedenen ehrlichen Kunden, die wie oftmals die Gelackmeierten sind, erfahrene) Akzeptanz ihrer Methoden, was wiederum eine Ausweitung in der Benutzung von Kopierschutz-Mechanismen zur Folge haben wird.
Deswegen halte ich Ihre Initiative für einen Schritt in die falsche Richtung, auch wenn ich noch mal ausdrücklich Ihr Engagement und das Ihrer "Mitstreiter" loben möchte.
(und jetzt möchte ich am liebsten mit riesigen Menschenmassen vor dem Hauptsitz von Sony Music Deutschland "Wir sind das Volk!" proklamieren.)
Mit freundlichen Grüßen und
in gespannter Erwartung einer Antwort,
Kai Bernau
*ist Mac OS X / iTunes in diesem Zusammenhang eigentlich eine illegale Software im Sinne von § 95 UrhG?
Diskutieren Sie!
unCDcopy heisst ein kleines Programm, mit dem man die böse CD über den Analogeingang der Soundkarte auf den Computer aufnimmt, und sich aus dem Internet (genauer von CD-Register) eine sogenannte "Schnittdatei" herunterlädt, die mehr oder weniger automatisch die 70-Minuten-Soundwurst in die Titel richtiger Länge beschneidet und benennt.
Eigentlich eine gute Idee, aber in einer E-Mail an den Redakteur dieses Artikels, Herrn Sven Hansen, erkläre ich, warum doch nicht:
alle Zahlen in dieser E-Mail sind grobe Schätzungen oder gar frei erfunden, und sollen nur der (teils überspitzten) Verdeutlichung der angesprochenen Sachverhalte dienen.
Lieber Sven Hansen,
Mit großen Interesse las ich Ihren Artikel "Un-CD-Bändiger" in Ausgabe 8/2004 und freue mich über den Zeit- und Energieaufwand, den Sie und andere in dieses Projekt investiert haben.
Meiner Meingung nach wird das "unCDcopy"-Programm uns Käufern von CDs allerdings leider nur mehr Arbeit machen, anstatt unsere Situation zu verbessern:
Zwar richten viele Kopierschutzmechanismen bei mir auf Mac OS X keinen Schaden an (d. h., sie greifen nicht)*, doch ich habe mich dennoch damals, als die Sache mit kopiergeschützten CDs anfing, kategorisch entschieden, hier meine "Machtposition" als Konsument auszuspielen zu versuchen und den Kauf von "UnCDs" zu verweigern, oder, habe ich einmal einen Kopierschutz-Hinweis übersehen, die CD zurück ins Geschäft zu tragen.
Diese Macht wirklich ausspielen und die "Major Labels" zu einer Abkehr von Kopierschutz-Mechanismen bewegen, können wir allerdings nur alle gemeinsam: wenn jede Woch 20.000 Kunden in Deutschland ihre CD beim Elektromarkt umtauschen würden, weil sie beispielsweise nicht im Autoradio, DVD-Player läuft oder sich nicht auf den iPod übertragen lässt -- ich denke, dass große Unternehmen wie die Saturn-Media Holding AG relativ schnell ein ernstes Wörtchen mit Sony Music, BMG, Warner und Universal zu reden hätten.
Auch der komplette Konsumverzicht bei kopierunfähigen CDs wäre, wenn groß angelegt, ein sicherlich erfolgreiches Machtinstrument.
(Wer der Meinung ist, dann wichtigen kulturellen Stimuli zu entsagen, sei beruhigt: zum einen genügt es ja, das Radio -- egal auf welchem Sender, egal um welche Uhrzeit -- einzuschalten, um den ja meist leider auch noch minderwertigen, massenkompatiblen Quark zu hören, auf den die "Major Labels" heutzutage ein Gros ihrer finanziellen Hoffnungen setzen, und ähnliches gilt für das Musikfernsehen. Und wer mit "unCDcopy" umgehen kann, der kann sicherlich auch Radio/TV-Tuner und Computer verbinden und dort "record" drücken.
Zum anderen sollte man es nun lieber als Chance sehen, anstatt der 5% der produzierten Musik, die 95% des Gesamtumsatzes ausmachen, mal einen Einblick zu erhalten in die große weite Welt jenseits der "Big Four", die größer, schöner und vielfältiger ist, als sich der Top40-Junkie gemeinhin träumen lässt.)
Die großen Plattenfirmen haben in der Vergangenheit viele Fehler gemacht, als das "digitale Zeitalter" begann, und versuchen nun, gedeckt durch den Staat und besiegelt in § 95, ihre Scherflein auf Kosten von niemand anderem als ihren eigenen Kunden ins Trockene zu bringen, denn während wir fluchen und heulen, dass wir die neueste Castingshow-Platte nicht auch in <beliebiges Musikwiedergabegerät einfügen> anhören können, interessiert es weder den versierten Raubkopierer, der immer noch über 99,9% aller gängigen Abspielsperren-Mechanismen lacht, noch den gewohnheitsmäßigen Tauschbörsenbenutzer, der die Platte schon Wochen vor dem VÖ-Termin hatte, inklusive Demo-Material, unveröffentlichten und Live-Versionen.
In Ihrem Artikel schreiben Sie, die Plattenlabel seien mit der angeblich oder anscheinend hohen Akzeptanz ihrer kopiergeschützten Plastikscheiben zufrieden.
Aber angeblich oder anscheinend schimpft der Großteil der Konsumenten darüber, wie in Ihrer und allerlei anderen Publikationen immer wieder zu erfahren ist.
Ihr Programm "unCDcopy" umgeht auf legalem Weg die meisten Einschränkungen kopiergeschützter Audio-Datenträger (auch wenn die Klangqualität, wenn man sich den Soundkarten-Test in einer der letzten c't-Ausgaben vor Augen führt, im Endeffekt den einer MP3-Datei sicherlich auch nicht übertreffen wird), aber erhöht gleichzeitig die von den Label anhand der Verkaufszahlen wahrgenommene (und nicht etwa im Dialog mit unzufriedenen ehrlichen Kunden, die wie oftmals die Gelackmeierten sind, erfahrene) Akzeptanz ihrer Methoden, was wiederum eine Ausweitung in der Benutzung von Kopierschutz-Mechanismen zur Folge haben wird.
Deswegen halte ich Ihre Initiative für einen Schritt in die falsche Richtung, auch wenn ich noch mal ausdrücklich Ihr Engagement und das Ihrer "Mitstreiter" loben möchte.
(und jetzt möchte ich am liebsten mit riesigen Menschenmassen vor dem Hauptsitz von Sony Music Deutschland "Wir sind das Volk!" proklamieren.)
Mit freundlichen Grüßen und
in gespannter Erwartung einer Antwort,
Kai Bernau
*ist Mac OS X / iTunes in diesem Zusammenhang eigentlich eine illegale Software im Sinne von § 95 UrhG?
Diskutieren Sie!
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